SGV Freiberg ringt Hessen Kassel nieder
70 Minuten in Unterzahl, ein Gegner mit Rückenwind – und trotzdem der neunte Sieg im neunten Spiel: Der SGV Freiberg zeigte am Samstag gegen Hessen Kassel nicht nur seine spielerische Klasse, sondern offenbarte auch eine andere, bislang kaum geforderte Seite – die Fähigkeit, zu leiden, zu kämpfen und Widerstände zu überwinden. Die Mannschaft von Trainer Kushtrim Lushtaku warf sich mit Entschlossenheit und Willensstärke gegen den drohenden Umschwung – und bewies dabei nicht nur Qualität, sondern auch die Nervenstärke und das Quäntchen Glück, das man in solchen Spielen eben manchmal braucht.
Dabei begann die Partie im Wasenstadion vor rund 400 Zuschauern wie aus dem Lehrbuch: Mit hohem Pressing, klarer Struktur – und eiskalter Effizienz. Zunächst luchste Neuzugang Julian Kudala dem Gegner den Ball am Strafraum ab und schob trocken ins lange Eck ein (13.), ehe Leon Petö nur zwei Minuten später mit einem präzisen Flachschuss zum 2:0 erhöhte. „Die ersten zehn Minuten haben wir verschlafen“, räumte Trainer Kushtrim Lushtaku später ein, „doch nach dem 1:0 haben wir den Kasselern unser Spiel aufgezwungen.“
Doch der furiose Auftakt bekam schnell Risse. Kassels Bravo-Sanchez verkürzte nach einem sehenswerten Distanzschuss auf 2:1 (20.). Kurz darauf überschlugen sich die Ereignisse: Nach einem Foul im Strafraum verwandelte Grobelnik den fälligen Elfmeter zum 3:1 – und in der Hektik der Szene sah SGV-Spieler Ballo Gelb-Rot. Der Schiedsrichter sah eine unerlaubte Rückkehr aufs Spielfeld – für Lushtaku eine überharte Entscheidung: „Da gab es Missverständnisse zwischen Linienrichter und Referee. Für mich war das keine zweite Gelbe – aber wir mussten damit umgehen.“
Freiberg also mit einem Mann weniger – und noch mehr als eine Stunde auf der Uhr.
Führung verwalten statt dominieren
Wer nun aber eine Defensivschlacht oder wilden Aktionismus erwartete, wurde überrascht. Der SGV wählte den kontrollierten Weg, zog sich kompakt zurück, verteidigte clever – und lauerte auf Konter. Kassel übernahm zwar die Spielkontrolle, verpasste jedoch mehrfach den Anschluss. Besonders bitter für Kassel: Ein Foulelfmeter in der 64. Minute klatschte an die Latte.
„Ja, manchmal braucht man auch Glück, um solche Spiele zu gewinnen“, gab Lushtaku später zu. „Und gerade in Unterzahl. Aber wir haben auch das Herz gezeigt, das man in solchen Momenten braucht.“
Dass es in der 87. Minute durch Bonianga doch noch einmal spannend wurde – geschenkt. Der Anschluss zum 2:3 blieb aus Kasseler Sicht der letzte Hoffnungsschimmer. Freiberg rettete den Vorsprung mit großem Kampf und Torwart Grawe über die Zeit.
Statt Druck: Demut und Vertrauen
Nach neun Siegen aus neun Spielen, 27 Punkte, 31:8 Toren und dem klaren Platz an der Spitze könnte man annehmen, der Druck wachse von Woche zu Woche. Lushtaku widerspricht: „Im Gegenteil. Ich bin sehr entspannt – weil ich weiß, was meine Jungs können. Wir bleiben demütig, das ist unser Schlüssel. Diese Mannschaft hat Qualität, Erfahrung – aber vor allem einen unglaublichen Willen.“
Dass SGV-Präsident Emir Cerkez vergangene Woche die Lizenz für die 3. Liga in Aussicht stellte, sei „ein richtiges Zeichen“ gewesen”, so Lushtaku. “Das gibt Sicherheit, schafft Ruhe – und zeigt, dass der Verein vorbereitet ist. Aber unser Fokus bleibt auf dem Hier und Jetzt.“
Topspiel gegen die Kickers – „Wir fahren dorthin, um zu gewinnen“
Am Dienstag steht das Spitzenspiel gegen die Stuttgarter Kickers an – ein echtes Highlight. „Ein Riesenverein, tolle Fans, tolle Kulisse“, sagt Lushtaku. „Aber am Ende zählt nur was auf dem Platz passiert. Und wir fahren dorthin, um zu gewinnen.“